Sand, so weit das Auge reicht und dahinter das glitzernde Meer. Was sich nach Karibik und Sommerferien anhört, ist ein weltweit einzigartiges Küstenschutz-Projekt.
Acht Monate lang fuhren die Baggerschiffe im Jahr 2011 immer wieder zehn Kilometer hinaus aufs Meer, baggerten den Sand vom Meeresboden und „spuckten“ ihn dann an der südholländischen Küste zwischen Den Haag und Ter Heide wieder aus - insgesamt 21,5 Millionen Kubikmeter Sand. Ein paar Monate später war das Ergebnis selbst aus dem Weltraum sichtbar: eine 128 Hektar große, rund 256 Fußballfelder umfassende Halbinsel, die sich eineinhalb Kilometer weit ins Meer erstreckt. Ein Paradies für Sonnenanbeter, Strandspaziergänger und Sandburgenbauer.
Ziel des Projektes „Sandmotor“ war jedoch weniger die Steigerung des Strandvergnügens als vielmehr die Errichtung eines ausgetüftelten Bollwerks zum Schutz der holländischen Küste. Denn ein Viertel der Niederlande liegt unter dem Meeresspiegel, und die Angst vor einer Überflutung veranlasst die Niederländer seit Generationen, Deiche zu bauen, Land einzupoldern und Sperrwerke zu errichten. Der Sandmotor bildet nun eine weitere Maßnahme der Holländer im Kampf gegen das Wasser. Eine Maßnahme, die weltweit einzigartig ist und die Natur diesmal nicht als Feind betrachtet, sondern als Mitstreiter.
Ziel der Lagune ist es, grob gesagt, wieder zu verschwinden. „Wir haben etwas angelegt, das in ungefähr 20 Jahren in dieser Form nicht mehr bestehen wird. Wind und Wasserströmung werden den Sand entlang der Küste zwischen Scheveningen und Hoek van Holland verteilen“, erklärt Jan Mulder, Küstenexperte beim Forschungszentrum Deltares. Berechnungen haben ergeben, dass rund 60 Prozent des Sandes nach Norden, Richtung Scheveningen und Den Haag, geschwemmt wird und 40 Prozent nach Süden. Dadurch wird der Strand auf natürliche Weise um einige Meter breiter und die Dünen werden wachsen - Küstenschutz ganz ohne Basalt und Beton.
Inzwischen sind die Veränderungen an der Küste durch den Sandmotor gut sichtbar. Der Motor bewegt sich langsam, aber stetig. Doch bevor er in rund 20 Jahren vollständig von der Landkarte verschwunden sein wird, ist die Lagune Hotspot für Wind- und Kitesurfern. Dem niederländischen Longboard-Champion Michael Schmitz zufolge befindet sich rund um die künstlich angelegte Halbinsel das beste Surfrevier der Niederlande. Anders sieht es für Schwimmer aus: Aufgrund der starken Strömungen ist Schwimmen in der Nähe des Sandmotors strikt verboten, weil lebensgefährlich.
Wird der Sandmotor sich genau so entwickeln und über die Küste verteilen wie erwartet? Keiner weiß genau, wie dieser Küstenabschnitt in vielen Jahren aussehen wird. Timon Pekkeriet, Absolvent der Technischen Universität Delft, hat Bedenken: „Wetterkapriolen wie Megastorms oder auch kleinere Stürme wurden viel zu wenig in die Berechnungen mit einbezogen, was dazu führen kann, dass sich der Sandmotor anders bewegt als erwartet.“
Es bleibt abzuwarten. Doch eines fällt auf: Neben Spaziergängern, Surfern und Robben werden in der Nähe des Sandmotors auch zunehmend chinesische Abgeordnete, amerikanische Armeeangehörige und französische Delegierte gesichtet. Sie alle zeigen Interesse an der neuen Form des Küstenschutzes. In Anbetracht des weltweit steigenden Meeresspiegels ist der Sandmotor vielleicht schon bald wegweisend. Und die Holländer sind - im Bereich des Küstenschutzes - den anderen Nationen mal wieder eine Nasenläge voraus.
© Ulrike Grafberger
Inzwischen hat sich am Sandmotor auch ein kleiner Dünensee entwickelt (siehe Foto unten), auf dem sich gerne Möwen und andere Wasservögel niederlassen. Zudem gibt es eine Messstation, den sog. Argusmast. Dieser 40 m hohe Mast ist mit acht Kameras ausgestattet, die permanent die Entwicklung des Sandmotors verfolgen. Eine Radarstation am Strand sowie eine Boje im Wasser messen zusätzlich die Strömung des Wassers.
Von den fantastischen Strandhäusern nahe dem Sandmotor hat man einen herrlichen Blick auf die Lagune und den weißen Strand. Hier findet ihr auf meiner Website weitere Infos über die Strandhäuser.