Bierchen mit Zigarettchen

Willkommen im Land der Diminutive! Diminutive sind diese Endungen, die aus etwas Normalen etwas Kleines machen. Eine grammatikalische Verkleinerungsform, die zustande kommt, indem man an ein Wort die Nachsilbe

–je, im Deutschen –lein oder -chen, anhängt.

 

Geht ein Holländer abends in die Bar, bestellt er natürlich ein „biertje“, raucht ein „sigaretje“, isst dazu „nootjes“, Nüsse. Kommt seine Freundin (vriendinnetje), gibt es ein „kusje“ und sie erzählen sich dann gegenseitig die neuesten „verhaaltjes“, Geschichtleinchens.

 

In Holland ist irgendwie alles niedlich und klein. Vielleicht liegt es daran, dass so viele Menschen auf kleinem Raum leben und eben nur noch Platz da ist für „huisjes“, für kleine Häuser. Der Holländer schreibt auf einem „laptopje“ ein „blogje“ (Weblog) und schaut am Abend „filmpjes“. Er hat „kindjes“, „katjes“ und ein „bureautje“, was allerdings ein Bürotisch ist und nicht ein komplettes Bürozimmer.

 

Diese Liste ließe sich beinahe endlos fortführen. Holland ist voller Diminutive. Und nicht nur an Substantive werden die Nachsilben drangehängt, sondern sogar an Adverbien. „Eventjes“ heißt im Deutschen „so mal eben.“

 

Woher diese Neigung zu Diminutiven kommt, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die einen sagen, es sei ein Zeichen von Geselligkeit und Kleinkariertheit, die anderen bringen es mit dem bürgerlich-kalvinistischen Hintergrund in Verbindung, der die Bedeutung des Menschen zur Größe eines Staubkorns schrumpfen lässt. Und ein Staubkorn ist ja nun wirklich „kleintje“.

 

Man muss ehrlich zugeben: Die Welt hört sich so viel netter an. Vielleicht sollten auch die Deutschen mal ins Bürochen gehen, um dort am Computerchen ihr Arbeitlein zu erledigen. Am Abend wären sie dann nicht ganz so abgearbeitet und hätten Zeit, um noch im Kneipchen ein Bierchen zu trinken, ein Zigarettchen zu rauchen und allen Frauchen dort ein Küsschen zu geben. Wie niedlich. Wir sollten mehr von unseren Nachbarn lernen.

 

ULRIKE GRAFBERGER